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TWAN-Fotografie in der Praxis - ein Tutorial

Die Welt bei Nacht zu fotografieren ist ein durchaus beliebter Trend, und auch im Buchhandel findet sich immer mehr Literatur zu diesem sehr spannenden Thema. Dieses Tutorial soll eine Einführung in die Grundlagen der TWAN ( The World at Night )- und Nightscapefotografie bieten, und dem interessierten Leser die technischen Grundlagen bieten, das Maximum aus dem vorhandenen Equipment herauszuholen. Hört oder liest man von Landschaftsfotografie unter dem Sternenhimmel, so denken viele zunächst an teure Vollformatkameras, gar an Mittelformat, und meist auch an mehr oder weniger unbezahlbare, extrem lichtstarke Objektive. Dem möchte ich entgegenstellen, dass moderne Bildsensoren derart leistungsfähig sind, dass die Unterschiede in der Bildqualität oftmals mehr in der Ausleseelektronik als im Sensorformat zu suchen sind. Es gibt durchaus APS-C-Kameras, die in Punkto Rauschen und Signaldynamik so mancher Vollformatkamera ebenbürtig, teils sogar überlegen sind, genau so, wie es auch Micro-four-thirds (MFT)-Modelle gibt, die manche APS-C-Kamera und auch die ein oder andere Vollformatkamera alt aussehen lassen. Man sollte sich also von dem Gedanken loslösen, stets eine noch bessere Kamera besitzen zu müssen, um erfolgreich Nachtlandschaften ablichten zu können. Genau aus diesem Grund gebe ich hier auch keine Tips zu Kameras ab und erwähne auch nicht, mit welcher(n) Kamera(s) die gezeigten Besipielbilder aufgenommen wurden. Abb. 1: Ruine mit Milchstraße, Einzelaufnahme f/2.8, 25sec, ISO 5000 Wie erreicht man nun solche Ergebnisse? Hierzu betrachten wir das Rauschverhalten handelsüblicher Kameras als Funktion der eingestellten ISO-Empfindlichkeit. Bei der niedrigsten ISO-Einstellung erreicht man eine Dynamik (So nennt man das Verhältnis der stochastischen und systematischen Störanteile zum Nutzsignalanteil der Bildinformation), die im Wesentlichen aus der Full-Well-Kapazität des Sensors und dessen Ausleserauschen, sowie dem Rauschanteil der nachfolgenden Ausleseverstärkerkette resultiert. Bei einem idealen Sensor mit idealer Ausleseelektronik würde sich also für jede Verdoppelung der ISO-Empfindlichkeit die Dynamik halbieren, also jeweils um eine Blendenstufe weniger werden. Warum ist dies so? Mit Erhöhung um eine ISO-Stufe halbiert sich bei gegebener Blende die Belichtungszeit und somit erreichen nur halb so viele Photonen wie zuvor den Sensor. Hiermit wird nurmehr die halbe Signalamplitude erzeugt, wohingegen das Auslese- und Verstärkerrauschen ein konstanter Wert ist. (Bei hypothetisch idealer Elektronik). Somit halbiert sich auch das Verhältnis beider Größen, auch wenn im Nachhinein beide Größen mit dem Faktor 2 multipliziert werden, deren Verhältnis bleibt dann halb so groß wie vorher. Abb. 2: Schematischer Verlauf der Sensordynamik Abbildung 2 zeigt schematisch den typischen Verlauf der Sensordynamik einer idealen Kamera (rot) und einer nicht idealen Kamera (blau). Bei der roten Kurve ist der Rauschanteil von Sensor und Ausleseelektronik invariant und man sieht den bereits beschriebenen, linearen Verlauf in der doppelt logarithmischen Darstellung. Kameras mit derartigen Eigenschaften bezeichnet man als ISO-invariant oder ISO-los. („iso- less sensor“). Solche Kameras gibt es in der Realität tatsächlich. Da bei derartigen Kameras das Rauschen konstant ist, ist es egal, ob man bei der Aufnahme elektronisch, oder erst bei der RAW-Entwicklung rechnerisch verstärkt. Theoretisch sollte man mit derartigen Kameras mit möglichst geringem ISO fotografieren und das Bild in der Nachbearbeitung aufhellen, weil dann die Spitzlichter (z.B. Sterne) nicht so schnell ausbrennen. Warum im Praxisbetrieb höhere ISO-Werte aber auch bei ISO-losen Kameras sinnvoll sind, wird später im Praxisteil erläutert werden. Wenden wir uns nun der blauen Kurve zu. Bei Kameras mit nicht ISO-losem Sensor flacht die Dynamikkurve zu niedrigen Empfindlichkeiten hin ab, was schlichtweg bedeutet, dass die Ausleseelektronik bei niedrigen Verstärkungen ein stark erhöhtes Rauschen aufweist. Bei einer solchen Kamera sollte man einen ISO-Wert nehmen, der in dem Bereich liegt, in dem sich die Kurve zur ISO-begrenzten Dynamikkurve mit -1fstop/EV hin annähert. Für fast alle nicht-ISO-losen Kameras ist hier ISO 800 ein meist sehr gut zutreffender Wert. Würde man mit niedrigerer Empfindlichkeit fotografieren und dann die Belichtung in der Rawentwicklung nach oben anpassen, käme ein deutlich überhöhtes Rauschniveau zum Vorschein. Nach diesem Exkurs in die Kameratechnik stellt sich nun die Frage, worauf es bei der Bildaufnahme ankommt. Und hier kommt die nächste Rauschkomponente ins Spiel - das Schrotrauschen, im Englischen auch „shot noise“ oder einfach Aufnahmerauschen genannt. Dieses resultiert aus der Quantennatur des Lichts und hat mit der Kamera zunächst einmal nichts zu tun. Je weniger Photonen auf ein Sensorpixel fallen, desto größer wird der Anteil statistischer Schwankungen im Vergleich zur Gesamtanzahl von Photonen. Dies ist gleichbedeutend mit einem erhöhten Signalrauschen. Hier gibt es nur einen Ausweg: Möglichst viel Licht! Möglichst viel Licht. Dies kann man auf mehrere Arten erreichen: Zum einen durch Verwendung von sehr lichtstarken Objektiven. Diese sind aber oftmals extrem teuer und haben bei voll geöffneter Blende eine relativ schlechte Sternabbildung - vor allem zu den Bildrändern hin. Zum anderen könnte einfach die Belichtungszeit möglichst lange gewählt werden. Dies wäre ideal, wenn nicht die scheinbare Drehbewegung der Sterne um den Himmelspol hier ein brennweitenabhängiges, hartes Limit setzen würde. Grundsätzlich gilt aber, je kürzer die Brennweite, also je weitwinkliger die Optik, desto länger kann man mit feststehender Kamera belichten, ohne dass die Sterne sichtbar länglich werden. Für Landschaftsaufnahmen mit Milchstraße sind Weitwinkeloptiken sowieso das Mittel der Wahl, um auch genügend Himmel für dramatische Ansichten mit aufs Bild zu bringen. Noch längere Belichtungszeiten lassen sich erreichen, wenn man die Kamera auf eine nachgeführte Montierung setzt. Dabei verschwimmt allerdings die umgebende Landschaft und diese muss mit feststehender Kamera nochmals aufgenommen werden, und beide Resultate müssen dann in einem Bildbearbeitungsprogramm überlagert werden. Ein weitaus einfachere Ansatz besteht darin, eine ganze Aanzahl von Bildern mit maximal sinnvoller Belichtungszeit mit feststeheneder Kamera vom Fotostativ aus aufzunehmen. Hier erhält man punktförmige Sterne und scharfe Landfschaft. Mit spezieller Software kann man nun diese Bilder so überlagern, dass die Landschaft statisch gemittelt wird und der Himmel auf die Sterne ausgerichtet und gemittelt wird. Das Resultat ist ein wirklich perfektes Bild, dass bei n Einzelbildern einer EInzelaufnahme mit n -facher Belichtungszeit bei 1/ n des ISO-Wertes entspricht. Beispielsweise entsprechen 16 Einzelaufnahmen mit ISO 1600 und 20 Sekunden Einzelbelichtungszeit einer einzelnen Aufnahme mit 100 ISO und einer Gesaamtbelichtugnszeit von 320 Sekunden. Hierfür gibt es sehr leistungsfähige Software: Für Windows ist als Download die Freeware sequator.exe verfügbar, für Apple das kostenpflichtige Programm StarryLandscapeStacker. Mit beiden Programmen ist es sehr einfach, den Himmel getrennt vom Vordergrund in einem Arbeitsschritt zu stacken. Diese Methode, viele Einzelaufnahmen zu mitteln eröffnet natürlich auch die Möglichkeit, dann viel Licht zu sammeln, wenn die maximale Blende des Objektivs nicht so besonders lichtstark ist. Wieviel Licht benötigt man nun für qualitativ hochwertige Nightscape-Fotos? Prinzipiell gilt natürlich, je mehr, desto besser. Als Tip für Landschaften mit Milchstrasse würde ich sagen, dass die Gesamtbelichtungszeit bei f/2.8 in etwa bei 3 Minuten liegen sollte, aufgeteilt in so viele Einzelbilder, wie nötig sind, um noch runde Sterne zu erhalten. Entsprechend der zur Verfügung stehenden Blende muss die Zeit entsprechend angepasst werden. Bei f/4 anstelle von f/2.8 sind also zweimal so viele Einzelbilder wie mit f/2.8 anzuraten, also ca. 6min Gesamtbleichtungszeit. Bei noch schnelleren Objektiven könnte man prinzipiell die Gesamtbelichtungszeit reduzieren, da aber 3 Minuten nicht besonders viel sind, sollte man aber diese Gesamtzeit zugunsten einer noch höheren Bildqualität durchaus beibehalten. Welche ISO-Empfindlichkeit sollte man idealerweise wählen? Wie oben erwähnt, könnte man ISO-lose Kameras mit dem niedrigsten ISO-Wert betreiben, der an der Kamera einstellbar ist, bei nicht-ISO-losen Kameras sollte man nicht unter ISO 800 gehen. Allerdings ergeben diese Einstellungen sehr dunkle Bilder, die vor Ort am Kameradisplay sehr, sehr schwer zu beurteilen sind. Da bei sowohl ISO-invarianten wie auch nicht-ISO- invarianten Kameras immer im Bereich der linear fallenden Dynamikkurve gearbeitet werden muss, wird das Ergebnis nicht schlechter, wenn man eine höhere ISO-Einstellung wählt, bei der man die Bilder auch am Display beurteilen kann. Schließlich muss dann einfach bei der RAW-Entwicklung weniger aufgehellt werden. Ein Wert im Bereich von ISO 3200 bis ISO 6400 hat sich hier als sehr praktikabel erwiesen. Da die Milchstraße und auch die Sterne keine besonders hellen Spitzlichter darstellen, ist auch das Risiko minimal, helle Bereiche im Himmel ausbrennen zu lassen, denn wegen der durch die Erdrotation begrenzten Einzelbelichtungszeiten ist das vorgeschlagene Empfindlichkeitsniveau von ISO 3200 bis ISO 6400 völlig unkritisch. Abb. 3a: 100% Ausschnitt mit 3200 ISO Abb. 3b: 100% Ausschnitt mit 12800 ISO In Abbildung 3 ist der selbe Ausschnitt eines Bildes mit f/2.8 und 13 Sekunden Belichtungszeit gezeigt, einmal mit 3200 ISO (3a) und dann mit 12800 ISO (3b). Beide Bilder sind Einzelaufnahmen und wurden bildbearbeitungsmäßig im Rawkonverter synchronisiert, also vollkommen identisch bearbeitet. Bei Bild 3a wurde die Belichtung zusätzlich um +2 EV nach oben korrigiert. Beide Bilder sind 100%-Crops und unterscheiden sich faktisch nicht. Der einzige Unterschied zeigt sich in der etwas eingeschränkteren Dynamik des mit 12800 ISO aufgenommenen Bildes: Der extrem hell angestrahlte Kirchturm ist hier auf beiden Seiten gleich hell, wohingegen in der Aufnahme 3a erkennbar ist, dass die Giebelseite des Kirchturms heller angestrahlt ist. Bei klassischen Nightscapeaufnahmen befinden sich typischerweise aber keine extrem angestrahlten Gebäude im Vordergrund, so dass hier die Wahl des ISO-Wertes durchaus untergeordnet ist. Wichtig ist, im linear fallenden bereich der Dynamikkurve zu arbeiten und das Bild vor Ort am Kameradisplay vernünftig beurteilen zu können. Die restlichen Helligkeitsanpassungen können dann problemlos im Rawkonverter durchgeführt werden. Abb. 4: Mondaufgang Das Bild in Abb. 4 zeigt einen mitternächtlichen Aufgang des abnehmenden Mondes im Hochsommer. Der Punkt, an dem die Milchstraße den Horizont schneidet, befindet sich exakt im Süden. Es handelt sich hier um ein Panorama aus fünf Hochkantaufnahmen. Bei derartigen Panoramaaufnahmen kann man durchaus ein wenig länger belichten, als es für ein Einzelbild möglich wäre, da sich die Pixelauflösung enorm erhöht und nach dem Herunterskalieren ursprünglich leicht elongierte Sterne nicht mehr als solche auffallen. Zudem reduziert sich durch das Herunterskalieren auch das Rauschen ein wenig. Selbstverständlich kann man durch Kombination beider Techniken - dem adpativen Stacken und dem Panoramastitching - die Bildqualität nochmals steigern. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. FAZIT: Qualitiativ hochwertige Bildergebnisse benötigen mit jeder Kamera einen gewissen Bearbeitungsaufwand der RAW-Dateien. Allerdings sind moderne Kamerasensoren fast ausnahmslos so gut, dass vorzeigbare TWAN-Bilder auch mit preisgünstigen Systemkameras möglich sind. Wichtig ist, dass alle Belichtungsparameter frei einstellbar sind, die Kamera Langzeitbelichtungen bis max. 30 Sekunden unterstützt und man gegebenenfalls das Objektiv wechseln kann. Wenn man dann die im Text genannten Dinge beachtet, sollten auch Ausdrucken im Format bis 40cm x 60cm nichts im Wege stehen.
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